Journalistin, Autorin und Unternehmerin Mona Schnell spricht über rationale und irrationale Ängste
Sie haben gemeinsam mit Ralf Schmitt das Buch „Kill dein Kaninchen“ geschrieben. Darin haben Sie verschiedene Ängste in Panik-Kaninchen-Typen verwandelt. Sind Sie ein ängstlicher Mensch?
Klar habe ich Ängste. Als Selbständige und Unternehmerin leide ich immer wieder unter Existenzängsten – als die Pandemie losging, dachte ich zum Beispiel: „Das war es jetzt. Du kannst dir wieder einen Job suchen.“ Klassischer Fall von irrationaler Angst. Ich steckte in der Schockstarre fest, anstatt erst einmal die Lage zu sondieren. Zum Glück ist es anderes gekommen. Und im Grunde wusste ich das auch. Es gibt aber immer wieder Momente, in denen traue ich mir selbst nicht. Doch generell zähle ich wohl zu den weniger ängstlichen Menschen. Meist überlagern Neugier und die Lust darauf, Neues auszuprobieren meine Ängste. Ich war schon immer neugierig, risiko- und entscheidungsfreudig. Wenn aber etwas nicht gleich so läuft, wie ich es gern will, krieg ich auch mal Panik. Inzwischen konzentriere ich mich aber darauf, Lösungen zu finden, anstatt mich in meinen Ängsten zu verkriechen. Angst gehört nun mal zum Leben dazu und ich kann sie sogar oft in Kreativität und Tatendrang umwandeln. Dafür bin ich sehr dankbar.
Haben wir nicht alle vor irgendetwas Angst? Welche Rolle spielt Angst in unserem Alltag?
Ich bin davon überzeugt, dass wir alle Ängste mit uns herumschleppen. Manche zeigen sie deutlicher als andere und jeder geht anders mit ihnen um. Angst ist ein Urtrieb. Sie basiert auf dem „Fight-or-Flight“-Reflex, der sich von der Steinzeit bis heute gerettet hat. Ein Überlebenskünstler sozusagen. Das bedeutet: Droht Gefahr, läuft in uns ein automatisches Programm ab. Wir klären innerlich, ob wir fliehen oder kämpfen wollen. Heute haben wir zwar keine Mammuts und Säbelzahntiger mehr, die uns bedrohen könnten. Aber wir dürfen nicht unterschätzen, dass ein stressiger Alltag und die Erziehung und Bildung, die wir genossen haben, oft Ängste vermitteln, anstatt Lösungen zu liefern. Die Ansätze, über die Ralf und ich im Buch sprechen, stammen alle aus der Praxis – wir sind ja keine Psychologen. Da wir aber selbst auch mit Ängsten kämpften und hin und wieder auch heute noch kämpfen, zeigen wir, was für uns und andere in unserem Umfeld funktioniert hat.
Glauben Sie, dass sich unsere Ängst durch die Corona-Pademie verändert haben? Haben wir eventuell sogar eine Pandemie der neuen Ängste?
Zu Anfang der Pandemie rief mich eine Freundin an, die im medizinischen Rettungsdienst arbeitet. Sie erzählte, dass sich 17 von 20 Einsätzen, zu denen Sie gerufen wird, als Panikattacken herausstellen. Ob das heute immer noch so ist, kann ich nicht einschätzen. Wenn ich mir aber die Wut und den Hass in Kommentaren auf Social-Media-Plattformen durchlese, bereitet mir das große Sorgen. Sowohl Wut als auch Hass entstehen ja oft aus Ängsten, die wir nicht handlen können. Wir Menschen haben oft Probleme mit dem Unbekanntem, weil es zu viele Faktoren beinhaltet, die wir nicht kalkulieren können. Die fehlende Perspektive und das Wissen darum, dass Politik und Forschung sich hier auf Neuland bewegen, schüren die Unsicherheit noch mehr. Insgesamt ist das keine schöne Situation. Die schürt natürlich Ängste, die wir in einem freien und demokratischen Staat nicht kennen. Wir sehen die verheerenden Konsequenzen, die Entscheidungen für uns persönlich und für unsere Wirtschaft mit sich bringen, können aber nur sehr eingeschränkt agieren. Hinzu kommt, dass wir früh lernen so viele Unbekannte wie möglich auszuklammern. Nach zwei Jahren Pandemie gibt es noch immer so viele Unbekannte, dass wir sie nicht mehr so einfach kalkulieren können. Wir streben dennoch nach Sicherheit und lernen zurzeit auf die harte Tour, dass Sicherheit eine Illusion ist.
Was bedeutet Angst für unsere Wirtschaft – im besonderen in Krisenzeiten?
Angst ist per se kein guter Berater. Im Moment stehen wir vor dem Problem, dass Entscheider keine auf Erfahrung und starren Fakten basierenden Entscheidungen treffen können. Das ist aber ihr Brot und Butter Geschäft, um ihre Unternehmen am Laufen zu halten. Ich sage nicht, dass sie generell keine Entscheidungen treffen. Doch in einer Pandemie fallen diese Entscheidungen anders aus und sind in der Regel nicht so unumstößlich und langfristig ausgelegt. Heute kommt es mehr denn je auf Flexibilität an. Für die Branchen, die Corona seit zwei Jahren beutelt, geht es oft ums nackte Überleben.
Umso wichtiger, dass Führungskräfte mutige Entscheidungen treffen, auch wenn ihnen aufgrund von Informationsmangel eine gewisse Unsicherheit innewohnt. Sie müssen sich trauen, damit umzugehen, um dringend nötige Veränderungen voranzutreiben. Führung bedeutet schließlich auch immer Verantwortung. Selbständige kennen diese Verantwortung schon immer, weil sie sie täglich für sich selbst, ihre Angestellten, freien Mitarbeiter, aber auch für das eigene Unternehmen tragen. Einige angestellte Führungskräfte haben den Druck im Alltag nicht so sehr im Nacken. In der Krisensituation wird er jedoch für alle spürbar.
Sie sind Journalistin aber auch Unternehmerin, führen eine Agentur, die sich hauptsächlich auf Events und Tourneen konzentriert und seit September 2020 sogar noch einen Verlag. Haben Sie aktuell mehr Angst als noch vor zwölf Monaten?
Kurz gesagt, dazu fehlt mir die Zeit. Klar denke auch ich darüber nach, wie es weitergeht. Die Agentur, die ich zusammen mit meinem Lebensgefährten aufgebaut habe, trifft es hart. Wir haben einen Event-Bereich, der über einen langen Zeitraum nach außen hin stillstand. Ich sage bewusst „nach außen“, weil wir natürlich intern in der Zusammenarbeit mit Künstlern und Moderatorinnen mit Hochdruck an Lösungen gearbeitet haben und arbeiten. Auftritte und ganze Tourneen mussten oft mehrfach neu gebucht werden. Aber so geht es ja nicht nur uns. Das heißt, die freien Termine werden knapp etc. Den Bereich Text und PR trifft es, weil auch unseren Kunden und Kundinnen die Aufträge wegbrechen und sie dann schnell an uns sparen. Das ist verständlich, für uns aber schmerzhaft. Wir versuchen zurzeit perspektivisch zu denken, vieles vorzubereiten und für uns neue Modelle zu finden. Zum Glück hatten wir im Sommer wieder die ersten Konzerte und auch Eventanfragen und -buchungen für unsere Moderatorinnen nehmen wieder zu. In so einer Zeit kommt es auf kreative Lösungen an. Ich glaube, die haben wir gefunden.
Und ihre Kunden?
Die gehen sehr unterschiedlich mit der Situation um. Bemerkenswert finde ich, wie flexibel viele geworden sind. Online-Konferenzen waren für viele bis zur Corona-Krise ein Fremdwort. Heute wird fleißig gezoomt und gestreamt. All das, was bisher nur offline möglich war, geht nun schon seit zwei Jahren auch online. Ich bin begeistert davon, zu sehen, wie viele neue Geschäftsmodelle gerade aus der Not heraus entstanden sind und wieviel plötzlich remote möglich wurde.